Bild vom 12.03.2022

Bild März 2022

Wenn ich das vorliegende Bild betrachte, kommen mir zwei mögliche Interpretationen in den Sinn. Zum einen sehe ich ein Tor, das in einen hellen Raum führt. Zum anderen kommt mir eine Strasse mit einer hellen Fahrbahn entgegen. Beiden Deutungen ist gemeinsam, dass ich etwas Hellem zuzustreben scheine, wobei das Ziel noch nicht erkenntlich ist.

Eingebettet ist das Bild in einen Sonnenauf- oder untergang. Wiederum sind beide Zustände Übergänge. Ein Sonnenaufgang verspricht einen neuen Tag. Im übertragenen Sinn kann er mir aber auch das Erwachen in eine neue Bewusstseinsebene signalisieren. Beim Sonnenuntergang erkenne ich dasselbe Prinzip, einfach anders ausgedrückt: ich bin endlich bereit, das Alte loszulassen und öffne mich dem Weg in das Neue und Lichtvolle, obschon ich dort noch keine konkreten Einzelheiten erkennen kann.

Du siehst, liebe Leserin, lieber Leser, wir befassen uns diesmal mit Übergängen, um das Erlangen von immer  reiferen Zuständen im Entwicklungsprozess.

Theorie und Praxis

In der Theorie und auf dem Bild wirkt alles so einfach und glücksvoll. Nachdem du ja ständig auf solche Momente hinarbeitest, freust du dich natürlich unheimlich, wenn du endlich an der Schwelle zu Neuem stehst. Aber Achtung: deine Vorstellung vom ganzen Prozess könnte ein bisschen verklärt sein. Deshalb ist es sinnvoll, wenn du dir einmal Gedanken darüber machst, wie Entwicklung konkret vor sich geht. Was auf dem Bild so harmonisch und leicht aussieht, kann im Leben recht verwirrend werden. Also betrachten wir einzelne Phasen eines solchen Prozesses etwas genauer.

Der Entwicklungsprozess

Um einen neuen Sachverhalt zu verstehen, brauchen wir ein gewisses Gefüge an Vorwissen. Das Fundament dazu haben wir uns im Säuglingsalter und in der frühen Kindheit erworben. So sind uns Grundeigenschaften unserer unmittelbar vertrauten Realität (die für uns greifbare Welt, aber auch Emotionen und anderes) bekannt. Unsere Hirnzellen sind vielfach vernetzt, so dass wir beispielsweise mit dem Begriff „Baum“ sogleich entsprechende Eigenschaften verbinden können: typische Baum-Form, entsprechende Farben, Härte des Holzes sowie seine raue Oberfläche und vieles mehr. Bei jedem Begriff werden sofort unsere Grunderfahrungen dazu aktiviert, womit wir eine Vorstellung davon haben, was dieser Begriff bedeutet. Erwähne ich beispielsweise eine tropische Frucht, sind deine Erfahrungen damit möglicherweise nur rudimentär. Entsprechend kannst du nur wenig Wissen abrufen. Erst wenn du die Frucht gesehen, getastet und geschmeckt hast, wird sie dir vertraut. Dann wirst du deinen Freundinnen und Freunden erzählen: „weisst du, diese Frucht schmeckt ein bisschen wie Banane und Pfirsich und ist schlabbrig.“ Im Weiteren kannst du das Verständnis deiner Kumpane mit stundenlangen Erklärungen erweitern und ihnen ein Gemisch aus Bananen und Pfirsichen vorsetzen, um den ungefähren Geschmack aufzuzeigen. Doch schlussendlich müssen alle, die es wirklich wissen wollen, das Original anschauen, betasten und hineinbeissen. Nur so können sie sich einen klaren Begriff dieser Frucht bilden.

Individuelle Vorstellungen

Nun kann es sein, dass dir vorgeworfen wird, deine Beschreibungen seien ein bisschen merkwürdig gewesen. Diese Frucht schmecke nicht wie Banane und Pfirsich, sondern wie Melone und Birne. Zudem sei sie nicht schlabbrig, sondern ihr Fleisch sei einfach angenehm weich. Du siehst, es kann recht kompliziert werden, wenn wir uns unter einzelnen Begriffen nicht genau das Gleiche vorstellen.

Doch jetzt wird es noch viel komplizierter. Wenn es um Sachverhalte geht, die sich um greifbare Inhalte kümmern, sind wir uns meistens ziemlich einig. Sprechen wir aber über Zustände und Ereignisse, die nicht gegenständlicher Art sind wie z.B. Emotionen, wird es schwierig. Wer erklärt mit beispielsweise, was „Liebe“ ist und wie sie sich anfühlt? Was muss ich mir genau darunter vorstellen? Wie kann ich erkennen, ob ich nun in diesen einen Mann verliebt bin oder ob es nur eine Schwärmerei ist? Frage ich meine Schwester, wird sie mir etwas völlig anderes erzählen als wenn ich mich bei meiner Freundin erkundige. Die Antwort meines spirituellen Lehrers zum Thema Liebe dürfte mich dann vollends verunsichern. Wenn ich nun dasitze und mir überlege, ob ich mich dem nächsten Schritt in der Beziehung öffnen soll, werde ich einer verwirrenden Vielfalt von Antworten begegnen. Schlussendlich wird mir wahrscheinlich nichts anderes übrigbleiben, als den Sprung in das Unbekannte zu wagen oder alles abzubrechen. Falls ich den Mut habe und die Beziehung vertiefe, sammle ich meine eigenen Erfahrungen und kann mir langsam selbst ein Bild darüber machen, was meine Gefühle bedeuten. Erst jetzt verstehe ich vermutlich, was meine Schwester und meine Freundin mir sagen wollten. Wenn ich Glück habe und weise bin, kann ich auch allmählich den tiefen Sinn aus den Worten meines Lehrers entnehmen. Um dies leisten zu können, blieb mir nichts anderes übrig, als meine Komfortzone zu verlassen und ins Unbekannte zu springen. Möglicherweise endet die Beziehung in einem Desaster. Aber dafür weiss ich jetzt einiges mehr über das Thema Liebe und wie ich in dieser Hinsicht funktioniere. Allerdings muss ich mir eingestehen, dass die Erfahrung teilweise verletzend und schmerzhaft war. Vielleicht habe ich Glück und wir finden zusammen. Auch dann verstehe ich einiges mehr. Im Verlaufe des Zusammenseins werde ich zum Thema Liebe aber noch allerhand dazulernen, denn diese wird sich entwickeln.

Hätte ich die Beziehung vorschnell abgebrochen, wäre ich um eine grosse Erfahrung ärmer. Vielleicht hätte sich später eine neue Gelegenheit ergeben. Vielleicht müsste ich mir einmal eingestehen, dass ich es versäumt habe, mir im Leben eine Chance zu geben. Und weshalb? Weil ich Angst vor etwas hatte, das ich nicht kenne und das ich nicht vorausberechnen kann.

Entwicklung beinhaltet immer Erfahrung

Will ich mich entwickeln und weiterkommen, muss ich in die Erfahrung eintauchen. Ich kann ganze Beigen von Büchern lesen, vielen gescheiten Leuten zuhören und anderes mehr. Aber solange ich nicht selbst die unbekannte Frucht gesehen, betastet und geschmeckt habe, werde ich nie wissen, wie sie wirklich ist. Ich kann mich über Liebe und Beziehungen informieren und mich monatelang vorbereiten. Aber irgendeinmal muss ich den Sprung wagen, sonst werde ich nie wissen, wie sich eine Beziehung anfühlt und wie ich Liebe in mir spüre, was sie mit mir macht und anderes mehr. Sobald ich aber das entsprechende Feld betrete, kann es Turbulenzen geben, denn meine Vorstellung entspricht nie ganz genau der Realität. Dazu kommt, dass die Konfrontation mit konkreten Situationen in mir ganz unerwartet Reaktionen auslösen kann, von denen ich nichts wusste, weil sie aus tiefen unterbewussten Schichten auftauchen. Folglich steht meine vorher ruhige Welt plötzlich Kopf, nur weil ich einen Schritt in ein neues Gebiet gewagt habe.

Aber keine Sorge: solche Turbulenzen sind vorübergehend. Sie sind Ausdruck von folgendem Sachverhalt:

Das Einbauen neuer Begriffe

Sobald du dich auf etwas Neues einlässt, musst du dein bestehendes Weltbild erweitern. Deine bisherigen Erfahrungen und Erkenntnisse konnten mit deinen bestehenden Hirnstrukturen gut verarbeitet werden. Doch nun möchtest du in etwas Grösseres eintauchen, mehr Weisheit und Klarsicht erlangen. Das geht nicht mir deinen alten Strukturen. Diese dienen dir aber als Grundlage. Aber jetzt musst du alle deine Strukturen öffnen, damit neue Komponenten eingebaut werden können. Deine alte Welt wirkt damit plötzlich nicht mehr sicher. Du hast erkannt, dass sie beschränkt und deshalb fehlerhaft ist. Das Neue hast du aber noch nicht wirklich begriffen. Du steckst also in einem Zwischenstadium und fühlst dich schlecht, weil alles Kopf zu stehen scheint. Sei dir bewusst: jeder richtige Entwicklungsprozess beinhaltet diese Phase. Also lerne damit umzugehen.

Wenn du das Gefühl hast, jetzt wirble dich das Leben herum oder du seist wieder irgendwo ganz am Anfang von deinen Bemühungen gelandet, dann gehe in die Ruhe und mach einfach weiter. Gib deinem Alltag eine gesunde Struktur und halte dich eisern daran (regelmässige Mahl- und Ruhezeiten, Meditation, Arbeit etc.). Während du diese Struktur aufrechterhältst, wird sich die Situation ganz von selbst beruhigen und plötzlich merkst du, dass du den Überblick langsam wieder gewinnst. Deine Sicherheit kehrt zurück und du findest dich mehr und mehr im Neuen zurecht. Ohne zu verzweifeln ist es dir gelungen, einen Übergang zu schaffen, der dich vorübergehend aus der Verankerung gerissen hat. Deine Hirnstrukturen haben sich erfolgreich erweitert und du bist nun mit mehr Weisheit und Klarsicht gesegnet. Freue dich darüber und sei dir bewusst, dass auch dies nur ein provisorischer Zustand ist. Es gibt noch viel mehr zu entdecken!

Die Nutzung des Bildes

Dieses Bild soll dir helfen, Übergänge als etwas Fliessendes wahrzunehmen. Wie du inzwischen weisst, ist das subjektive Erleben in der Regel alles andere als fliessend. Aber mit dem entsprechenden Hintergrundwissen und dem Bild im Kopf kannst du dich immer wieder selbst aus schwierigen Situationen herausholen und dir klar machen, dass Entwicklung bedeutet, wiederholt mit tiefen Unsicherheiten konfrontiert zu sein. In diesen Zeiten ist es wichtig, den Fokus auf diejenigen Bereiche im Leben zu halten, welche Sicherheit gewähren. Bette dich in solche Bereiche ein und schöpfe fortwährend Kraft aus ihnen. Auf diese Art wird der Prozess mit der Zeit immer einfacher.

Hier schlage ich dir eine Übung mit dem Bild vor:

Übung

Dein Leben soll fliessend sein, auch wenn es sich nicht so anfühlt. Es ist also wichtig, dass du konsequent deinen Alltag weiterführst und dich nicht verwirren lässt. Dabei darf das Neue – soweit dies schon möglich ist – langsam einfliessen. Deshalb mach nun folgendes:

Mach es dir bequem, sammle den Geist und nimm dir einen Moment Zeit. Betrachte dann das Bild und lass es auf dich wirken.

Arbeite in der Folge jeweils vom Herzzentrum (Mitte Brustbein) aus. Von dort aus soll die helle Strasse sich langsam in deine Glieder ergiessen und es diesen ermöglichen, ruhig und mit aller Weisheit im Leben tätig zu sein. Zu diesem Zweck arbeite zuerst mit einem der Glieder, z.B. einem der Arme. Lass das helle Licht der Strasse langsam in deinen Arm fliessen, bis dieser ganz ausgefüllt ist. Spür, wie es sich anfühlt, wenn diese Kraft dort aktiv ist. Nun kümmere dich um den zweiten Arm. Anschliessend mach dasselbe mit den beiden Beinen. Wenn du fertig bist, verweile in diesem Zustand. Du verfügst nun über Glieder, die vom Herzen her mit kraftvoller Energie versorgt sind. Vergegenwärtige dir, wie du mit diesem kraftvollen Zustand mit Leichtigkeit deine Aufgaben eine nach der anderen in Ruhe bewältigen kannst. Verinnerliche dieses Gefühl solange du magst.

Nach einer Weile kehre langsam wieder in die Realität zurück. Bedanke dich bei deinen geistigen Helfern und schliesse die Meditation ab.

Das nächste Bild erscheint am 09.04.2022