Das Projekt des lieben Gottes

Eine Weihnachtsgeschichte von Susanna Sarasin

Wie immer um diese Jahreszeit herrschte im Himmel Hochbetrieb. Dem lieben Gott war es nämlich wichtig, dass er zur Weihnachtszeit besonders segnend auf die Erde einwirken konnte. Er wollte den Menschen zeigen, dass es sich lohnt, an ihrem Glauben festzuhalten. In diesem Jahr sollte alles noch wunderbarer werden. Der liebe Gott hatte sich etwas ganz Besonderes ausgedacht. In einer grossen Himmelskonferenz unterbreitete er allen anwesenden Himmelsbewohnern seine Idee.

„Hört, ihr lieben Helfer, für die bevorstehende Weihnachtszeit habe ich eine ausserordentliche Mission geplant. Ich möchte meinen Kindern auf Erden zeigen, weshalb es wichtig ist, an den himmlischen Gesetzen festzuhalten und sie im Leben umzusetzen. Um aber zu sehen, wie die Menschen auf mein Vorhaben reagieren, möchte ich erst ein kleines Versuchsprojekt in einem abgelegenen Teil der Welt starten. Gelingt dies, soll die ganze Erde von meinem Wohlwollen profitieren. Nehmt nun meinen Wunsch zur Kenntnis und trefft die notwendigen Vorbereitungen, so dass wir in einer Woche starten können. Folgendes ist zu tun: Ihr müsst sicherstellen, dass in dem auserwählten Gebiet völliger Friede herrscht, keinem Menschen ein Leid widerfährt, alle in gutem Wohlstand leben und sich bester Gesundheit erfreuen sowie nur Gefühle des Glücks, der Freude und der Liebe erfahren.“

Etwas schockiert starrten die Himmelsbewohner den lieben Gott an. Was er von ihnen verlangte, grenzte ans Unmögliche. Doch Gott liess ihnen keinen Raum für Vorbehalte oder Zweifel. „Tut, was ich gesagt habe!“ forderte er sie streng auf und verliess sie.

Nach einer kurzen Pause, in der sich alle entgeistert anschauten, begann eine hitzige Debatte über den Sinn eines solchen Projektes. Schliesslich gelang es Erzengel Gabriel, Ordnung in die diskutierende Schar zu bringen: „Ihr habt den Willen unseres Schöpfers vernommen. Also folgt ihm und helft mit, nach einer Lösung zu suchen!“

Die folgenden Tage arbeiteten die Himmelsbewohner hart in verschiedenen Projektgruppen, die von Erzengel Gabriel koordiniert wurden. Endlich stand der Plan, dem der liebe Gott nach kurzem Nachdenken zustimmte. Und so brach für ein kleines Gebiet auf der Erde die erstaunlichste Zeit an, die ein Mensch auf diesem Planeten je erlebt hat.

Es begann damit, dass die Leute in der auserwählten Region plötzlich vergassen, weshalb sie sich bekriegten. Feinde sahen einander erstaunt an und wussten nicht mehr, aus welchem Grund sie am Tag vorher noch aufeinander geschossen oder sich gegenseitig beleidigt hatten. Und da sie den Sinn ihres feindlichen Verhaltens nicht mehr einsahen, stellten sie es ein. Gleichzeitig leerten sich schlagartig Spitäler und Arztpraxen, da Krankheiten auf unerklärliche Art und Weise verschwanden. Menschen, die bisher in Armut gelebt hatten, mussten zu ihrem Erstaunen feststellen, dass sich ihr Geldbeutel trotz verschiedenster Auslagen nicht leerte. Wohlstand kehrte ein, keiner hatte mehr Not zu leiden, womit die Sozialämter bald ihre Türen schliessen konnten. Die eindrücklichste Veränderung war aber der Wandel in den Gemütern der Menschen. Alle strahlten sie Freude und Liebe aus. Es war wie der Himmel auf Erden.

In den ersten Tagen genossen die Menschen ihr neues Sein. Sie lachten, feierten Feste, badeten sich in ihrer Gesundheit und ihrem Wohlstand und liessen es sich gut ergehen. Als sie jedoch zu merken begannen, dass sich das Leben der gesamten Gemeinde auf so merkwürdige Art verändert hatte, stellte sich bei vielen ein leises Unbehagen ein: es war doch einfach nicht möglich, dass es allen auf einmal völlig grundlos gut ging. Das Ganze musste einen Haken haben. Argwöhnisch warteten die Leute darauf, dass sich das Blatt wenden und alles wieder so sein würde wie vorher. Doch nichts geschah. So begannen die Menschen nach Erklärungen zu suchen. Umfassende wissenschaftliche Abhandlungen wurden geschrieben. Prominente Personen äusserten sich in den Medien. Einhellig wurde die Meinung vertreten, dass es sich hier um ein unerklärliches Phänomen handeln musste, eine Art Ausnahmezustand. Der Einfluss Ausserirdischer wurde nicht ausgeschlossen. Einige Stimmen gaben zu bedenken, dass die Erde möglicherweise von Bewohnern eines anderen Planeten zu einer Art Versuchsobjekt ausgewählt worden war. Man durfte gar nicht darüber nachdenken, was für Tests diesen Ausserirdischen in den Sinn kommen könnten. Diese und andere Spekulationen bewirkten, dass der paradiesische Zustand den Menschen Sorgen bereitete. Sie merkten, dass sie irgendwelchen undefinierbaren Kräften ausgeliefert waren. Was zuerst für so viel Freude gesorgt hatte, löste langsam aber sicher immer mehr Angst aus. Nur einige wenige verstanden, welche Kräfte wirklich hinter dem Phänomen stecken mussten, weshalb sie sich auch nicht sorgten. Ihre Erklärungen und Aufrufe an die Mitbewohner blieben aber ungehört. Diese Lösung fanden die meisten schlicht naiv. Weshalb sollte sich denn der liebe Gott – falls es ihn überhaupt gab – darum bemühen, ihnen ein Paradies auf Erden zu bescheren? Diese Idee fanden sie absurd. Zudem widersprach sie ihren Erfahrungen und ihrer Theorie, dass Wohlstand und Glück durch harte Arbeit verdient werden musste.

So viel Unverständnis bereitete dem lieben Gott, der den Verlauf seines Projektes interessiert beobachtete, einiges Kopfzerbrechen. Es machte ihn traurig, dass die Menschen so hartnäckig an ihren falschen Vorstellungen festhielten.

Wie sollte es je Friede und Wohlstand für alle auf dieser Erde geben, wenn die Mehrzahl der Menschen nicht daran glaubte, dass ihnen ein solches Sein zustand? Wie nur sollte er ihnen zu verstehen geben, dass diese Seinsform viel mehr ihrer Natur entsprach als Kriege und Elend? Offensichtlich brauchten sie noch einige Zeit, um zu erkennen, dass sie seine Kinder waren und deshalb ein Recht auf den Himmel hatten, und zwar schon zu Erdzeiten. Doch solange sie sich gegen solche Ideen wehrten, half es wenig, sie mit göttlichen Geschenken zu überhäufen, die sie ohnehin nicht zu verstehen vermochten.

So begann auf dem auserwählten Gebiet ganz langsam der alte Trott wieder seinen Gang zu nehmen. Spitäler, Arztpraxen und Sozialämter mussten ihre Tore erneut öffnen. Ebenso traten die bekannten Streitigkeiten auf. Obschon dies von allen Leuten bedauert wurde, gab es dennoch ein Aufatmen. Dieses Leben war ihnen vertraut, hier fühlten sie sich sicher.

Nur einige wenige Personen konnten das göttliche Geschenk behalten. Da sie erkannt hatten, woher die Gaben kamen, stellten sie von nun an ihr Leben in den Dienst dieser wunderbaren Kräfte. Sie lebten weiterhin in Frieden, Freude und Liebe und zeigten damit den anderen Menschen, dass dieser Zustand nichts Unmögliches war.

Dies erfreute den lieben Gott in hohem Mass. Obschon er sich damit begnügen musste, den Menschen seine Geschenke nur noch wohl dosiert zukommen zu lassen, liess er es sich bis zum heutigen Tag nicht nehmen, immer zur Weihnachtszeit besonders grosszügig zu sein. Er wusste, dass zu dieser Zeit viele seiner Kinder empfänglicher für seine Gnade waren als während des übrigen Jahres. Allerdings können nur diejenigen Menschen sein Wirken wahrnehmen, die ihre Herzen bewusst öffnen und den lieben Gott einlassen, wenn er bei ihnen anklopft. Sie werden dann reich beschenkt mit weihnachtlichen Gefühlen und verstehen, dass die Geburt des Christuslichtes nicht ein einmaliges Ereignis war, das vor über 2000 Jahren stattfand. Vielmehr schlummert dieses Seelenlicht in jedem von uns und wartet nur darauf, erkannt zu werden und anschliessend immer mehr wachsen zu können. Du weisst nicht, was dieses Seelenlicht genau ist? Es ist deine Verbindung zur Seelenebene und damit zum Wissen, wer du in Wirklichkeit bist. Oder hast du effektiv vergessen, dass du mehr bist als dieses beschränkte Menschenkind?

Endlich schaffte ich es: alle meine alten Weihnachtsgeschichten wurden hervorgeholt. Die ältesten
waren noch mit der Schreibmaschine getippt. Sie stehen dir nun in überarbeiteter Form zur
Verfügung. Du kannst sie am Bildschirm lesen, herunterladen oder bei mir gegen den
Selbstkostenpreis von Fr. 15.- pro Exemplar (Ringheft) plus Porto in gebundener Form beziehen.