Der Weihnachtsmann greift ein

Eine Weihnachtsgeschichte von Susanna Sarasin

Hast du schon einmal den Weihnachtsmann gesehen? Du meinst, es gibt ihn gar nicht? Nun, nur weil du ihn noch nie gesehen hast, heisst das noch lange nicht, dass es ihn nicht gibt. Stell dir vor, wie viel er immer zu tun hat, wenn er die ganze Welt im Dezember mit seinen vielen Gaben erfreuen will. So ist es doch logisch, dass er eine ganze Heerschar von Helfern benötigt, welche seine Aufträge ausführen. Deshalb spürst du höchstens ab und zu, in ganz ruhigen Momenten, einen feinen Windhauch über dich streifen. Dies sind die Flügel der kleinen Weihnachtsengel, welche während des ganzen Jahres die Wünsche der Erdenbewohner erkunden und den Weihnachtsmann darüber informieren.

Warum wir so wenig darüber wissen? Weil wir ein völlig selbstloses Geben in den Bereich der Märchen verbannen. Dass es im Universum so liebevolle Kräfte gibt, die auf der Erde wirksam werden, ist für uns unglaubwürdig. In unserer Dimension beinhalten selbst Geschenke die unausgesprochene Botschaft, dass eine Gegenleistung erfolgen sollte.

Doch wie gesagt, der Weihnachtsmann ist einer der anderen Sorte. Wenn er jemandem eine Freude bereiten kann, durchströmen ihn höchste Glücksgefühle. Kein Wunder also, ist Weihnachten für ihn die schönste Zeit des Jahres. Mit seinen Aktivitäten kann er jeweils viele Augen zum Leuchten bringen, was sein Herz tief erfüllt.

Einmal beschloss der Weihnachtsmann, sich selbst ein genaueres Bild davon zu machen, was seine Arbeit auf der Erde bewirkte. So verkleidete er sich als alter Mann und durchwanderte viele Städte und Dörfer. Wie wurde sein Herz weit, als er zur Weihnachtszeit die vielen Lichter sah und die Anstrengung der Menschen erkannte, der Heiligen Zeit entsprechende Ehre zuteil werden zu lassen. Zwar nahm er auch merkwürdige Aktivitäten seiner Schützlinge wahr wie das Hetzen durch die Läden. Aber er sagte sich, dass dies wohl deren Gewohnheit sein musste, welche nicht wirklich mit Weihnachten zu tun hatte. Als er die Menschen schliesslich das Weihnachtsfest feiern sah, fühlte er sich in seiner Arbeit bestätigt und wollte die Erde wieder verlassen. Doch weil er nun schon einmal hier war, dachte er sich, er könnte eigentlich selber ein wenig die Wünsche der Menschen auskundschaften. Also wanderte er noch einige Wochen auf dem Planeten umher.

In dieser Zeit erfuhr der Weihnachtsmann eine Enttäuschung, die er sich in seinen schlimmsten Träumen nicht hätte vorstellen können: kaum waren die Feste vorbei, schien es, als lege sich eine graue Wolke über die Erde. Von Licht und Freude war nur noch sehr wenig zu sehen. Missmutig und griessgrämig gingen die Menschen ihrem Tagwerk nach, als hätte es gar nie eine Weihnacht gegeben. Entsetzt verliess der Heilige Mann die Erde, um über das Erlebte nachdenken zu können.

Warum hatten ihn seine Engel nicht darüber informiert, dass seine Bemühungen nur so wenige Spuren hinterliessen? Wie sollte er sich über sein Geben noch freuen können, wenn er wusste, dass es nur so kurze Zeit wirksam war? Die Menschen sollten sich doch während des ganzen Jahres freuen können, nicht nur während einiger Wochen oder gar nur Tagen!

Doch lange währte die Krise des Weihnachtsmannes nicht. Ihm war klar, dass er etwas machen musste. Und so schmiedete er einen Plan.

Die Vorbereitungen für das nächste Weihnachtsfest liefen wie gewohnt. Die Engel sammelten Wünsche und berieten mit ihrem Chef, welche erfüllt werden konnten. Auch auf der Erde nahm alles seinen gewohnten Gang. Die Menschen zündeten Kerzen an, stellten feine Leckereien her, übten Lieder und suchten Geschenke aus. Natürlich war ihnen dabei nicht bewusst, dass die Weihnachtsengel äusserst aktiv waren, ihnen bei der Auswahl der Geschenke unbemerkt halfen und überall Energien verströmten, welche das Schenken und Feiern anregten.

Wie gesagt verlief alles ganz normal. Doch welche Überraschung gab es, als beim Auspacken der Geschenke auf der Rückseite aller Geschenkpapiere eine merkwürdige Aufschrift sichtbar wurde: Wer das Weihnachtslicht mitträgt, wird das ganze Jahr über beschenkt. Wäre der Text ein anderer gewesen, hätte er wohl nicht diese enorme Wirkung gezeigt. Die Aussicht jedoch, das ganze Jahr über beschenkt zu werden, war sehr verlockend und regte die Leute zum Nachdenken an. Und weil diese Aufschrift weltweit erschien, gab es eine Menge nachzudenken. Wie war es nur möglich, dass bei einem Papier, das auf der Rückseite nie jemand bedruckt hatte und das beim Einpacken noch ohne Aufschrift gewesen war, beim Auspacken plötzlich dieser Satz zum Vorschein kam, und zwar weltweit, in den verschiedenen Schriften und Sprachen der Menschheit?

Dieses Phänomen musste ergründet werden, und wo etwas ergründet werden muss, finden sich die Menschen in Gruppen zusammen. Regierungen bildeten Gremien, die Kirchen riefen ihre weisesten Männer und Frauen zusammen, Philosophen sammelten sich zu Diskussionsrunden, Esoteriker durchforschten allerlei Schriftstücke und weitere Gruppen suchten auf anderen Wegen eine Antwort. Doch obwohl ganze Bibliotheken alter Bücher durchsucht wurden und obwohl die gescheitesten Köpfe der ganzen Welt nachdachten, konnte keine wirkliche Lösung gefunden werden.

Während auf höchster Stufe geforscht wurde, blieb dem einfachen Volk nicht viel anderes übrig, als sich selbst ein Bild über dieses Rätsel zu machen. Und weil es keine wirkliche Erklärung gab, erachteten es die Menschen als das Einfachste, diesem Satz einfach einmal Folge zu leisten. So versuchten sie, die weihnachtlichen Gefühle des Lichtvollen und Verheissenden jeden Tag neu in sich zu entfachen. Zudem bemühten sie sich, Gutes zu tun, wie dies vor Weihnachten üblich ist. Und o Wunder: es passierte tatsächlich etwas! Auf der Erde wurde es heller und heller, was ein vermehrtes Wohlbefinden aller Bewohner zur Folge hatte. Und da sich alle immer wohler fühlten, vergassen sie allmählich, ihren Wünschen nachzurennen. Diese hatten ja sowieso nur dazu gedient, das Wohlbefinden zu verbessern. Und da niemand mehr seinen Wünschen nachrannte, wurde es plötzlich ganz friedlich auf der Welt.

Endlich begannen auch die weisen und gelehrten Männer und Frauen, welche noch immer über das Geheimnis des rätselhaften Satzes forschten, zu verstehen, dass es sinnlos war, weiter nach einer Antwort zu suchen. Sie fanden sich damit ab, dass etwas passiert war, für das es keine Erklärung gab.

Nur der Weihnachtsmann wusste – und mit ihm einige wenige Menschen, die ein bisschen mehr verstanden als die Allgemeinheit – dass das Weihnachtslicht, welches natürlich dem Christuslicht entsprach, endlich auf der Erde zum Leben erwacht war und damit seinen ganzen Segen über die Menschheit ausschütten konnte.

Endlich schaffte ich es: alle meine alten Weihnachtsgeschichten wurden hervorgeholt. Die ältesten
waren noch mit der Schreibmaschine getippt. Sie stehen dir nun in überarbeiteter Form zur
Verfügung. Du kannst sie am Bildschirm lesen, herunterladen oder bei mir gegen den
Selbstkostenpreis von Fr. 15.- pro Exemplar (Ringheft) plus Porto in gebundener Form beziehen.