Bild vom 21.11.2020

Wenn ich die Natur betrachte, überkommt mich manchmal ein tiefes Gefühl der Ehrfurcht. Die Lebensvorgänge sind unwahrscheinlich komplex, und dennoch funktioniert alles in wundersamer Art und Weise. Wir stehen einem Zusammenspiel von unglaublich vielen Faktoren gegenüber, von denen wir Menschen wohl nur Bruchteile kennen. Von dem her ist es wohl nicht übertrieben zu sagen, dass wir trotz Fortschritt in vielen Bereichen vor grossen Rätseln stehen.

Dieses Wunder der Natur ist immer und überall zugegen und kann mich selbst bei scheinbar unbedeutenden Einzelheit von neuem tief berühren. Doch o weh: wenn es um mich selbst geht, wird es plötzlich ein bisschen schwieriger. Es ist nicht ganz einfach, das braune Wunder zu würdigen, das jeden Tag in die WC-Schüssel plumpst und einen Duft hinterlässt, der nicht gerade an Rosen erinnert. Aber ist dies nicht auch eine grossartige Leistung der Schöpfung? Man überlege sich einmal, was im Körper vor sich geht, nachdem man eine feine Mahlzeit zu sich genommen hat. Ist es nicht ein Wunder, dass ich dank einiger zerkauter und heruntergeschluckter Bissen bei Kräften bleibe und mich einer guten Gesundheit erfreue? Und das alles geschieht ganz automatisch. Ich muss gar nichts machen. Der Körper erledigt dies im Alleingang. Von dem her müsste ich täglich voller Ehrfurcht mein „Geschäft“ betrachten und es erst, nachdem ich meinem Körper meinen Dank ausgesprochen habe, in die Kanalisation hinunterspülen.

Doch irgendwie ist es gar nicht so einfach, diesen Teil von mir als etwas Grossartiges einzuordnen. Schliesslich gehört er sozusagen zur „primitiven Susanna“. Daneben gibt es aber auch noch die andere Susanna: die gesellschaftsfähige, gebildete, spirituelle. Diese gefällt mir besser. Mit ihr kann ich mich in der Öffentlichkeit bewegen, fühle mich als anerkannte Persönlichkeit mit einem gewissen Ansehen. Aber im Grunde genommen gehören beide Susannas zusammen. Doch wie soll ich das machen? Der Gedanke, dass man die offizielle Susanna mit dem primitiven Teil in Verbindung bringt, bereitet mir Unbehagen. Mein Inneres möchte dies schön abgesondert haben.

Nun, ich denke, in einem gewissen Sinn ist dies auch richtig. Man muss sich im Klaren sein, dass man als Mensch ein Konstrukt aus verschiedenen Elementen ist. Eine wichtige Differenzierung ist die folgende:
Einerseits bin ich ein biologisches (grobstoffliches) Wesen und demzufolge entsprechenden Gesetzen unterworfen. Andererseits bin ich aber ein Seelenwesen (feinstoffliches Wesen) und folglich kein „Produkt“ der dreidimensionalen Welt. Wie dies schon mehrfach thematisiert wurde, lebe ich im Prinzip in zwei verschiedenen Dimensionen gleichzeitig. Nur ist das den meisten zu wenig bewusst. Oder sie wissen es zwar theoretisch, aber die Konsequenzen davon sind ihnen nicht wirklich klar. Sie lassen sich noch viel zu sehr vom dreidimensionalen Anteil bestimmen, indem sie ihrem logischen Denken absolute Priorität einräumen und damit ihren Seelenanteil nicht fassen können. Das logische Denken ist sehr beschränkt, denn es ist ein lineares Denken. Will man mehr vom eigenen Sein erfahren, muss man eine erweiterte Form der Wahrnehmung trainieren, eine ganzheitlichere. Diese kann man mittels Meditation üben, indem man das lineare Denken zur Ruhe bringt und einem ganzheitlichen inneren Gewahrsein Platz macht. Diese Wahrnehmungen sind bei jedem anders. Sie können bildhaften oder auch nur schemenhaften Charakter haben, können in Form von Wissen in den Kopf fliessen oder anderes. Man muss einfach offen sein und üben.

Als biologisches Wesen bin ich stark konfrontiert mit dem Höhlenbewohner in mir. Ich bin also darauf ausgerichtet zu überleben. Dafür muss ich Nahrung haben, mein Territorium verteidigen und mich fortpflanzen. Damit alles gesichert ist, habe ich beispielsweise den Drang, mich mit Essen vollzustopfen, wenn ich mal etwas zwischen die Zähne bekomme. Zudem bin ich kriegerisch gesinnt, wenn ein fremdes Wesen zu nahe an meinen Besitz gerät. Macht mich eine andersgeschlechtliche Person an, packt mich das grosse Reissen und ich kann ganz schön meine Register ziehen, um zu meinem begehrten Ziel zu kommen. Ich richte mein Leben gerne so ein, dass ich von allem reichlich und noch mehr habe, damit ich mich sicher fühle und meine Triebe lustvoll ausleben kann. Leider geht das meistens auf Kosten von anderen, was zu Problemen führt. So haben wir Ungerechtigkeiten und Kriege auf der Welt.

Eigentlich hätten wir noch eine andere Seite, die genau wüsste, dass wir im Kern unseres Wesens nicht biologische grobstoffliche Geschöpfe sind, sondern feinstoffliche. Dieser Teil in uns wüsste auch, wie wir friedlich miteinander auf der Erde leben könnten. Er ist sich nämlich dessen bewusst, dass es von allem genug hat und niemand Mangel leiden müsste, sofern wir weise mit den Ressourcen der Erde umgehen. Dieser Teil in uns wird aber immer wieder vom biologischen überschrien, der lauthals reklamiert und Angst hat, dass er nicht ausreichend von allem bekommt.
Du siehst, es ist wichtig, uns die Verschiedenheit unserer beiden Naturen vor Augen zu führen. Gleichzeitig müssen wir aber auch einen Weg finden, uns als eine Ganzheit zu erfahren und nichts in uns abzuspalten. Der biologische Teil gehört zu mir und erlaubt mir, auf diesem Planeten zu leben und zu wirken. Es ist wichtig, dass ich mich mit ihm wohl fühle, sonst absorbiert er viel Energie. Je besser ich mit seinen Funktionen und Ansprüchen klarkomme, umso wohler fühle ich mich und umso mehr kann ich mich den wichtigen Dingen im Leben zuwenden wie zum Beispiel meiner Spiritualität.

Man kann es folgendermassen auf einen Nenner bringen: meine „offizielle Susanna“ muss verträglich sein für meine „biologische Susanna“ (kein Raubbau der Kräfte!), meine „biologische Susanna“ wiederum zuträglich für die „offizielle Susanna“ (ich muss meine Triebe im Griff haben, damit ich immer mehr zu einer ehrenwerten und spirituell fortgeschrittenen Persönlichkeit reife).

Wenden wir uns nun dem Bild zu:
Hier wird der biologische und damit erdige Teil grün dargestellt (das Gedeihen der Natur), der Seelenanteil violett. Die beiden Kräfte stehen gleichmächtig nebeneinander und bilden gemeinsam ein Muster. Es könnte fast ein Teppich sein, auf dem man seinen Weg geht. Dieser Boden ist nur gut begehbar, wenn man das Muster in dieser Ausgewogenheit stabil hält. Entgleist es, wird alles holprig. Man braucht plötzlich viel Energie um zu sehen, wohin man seine Füsse setzt, damit man das Gleichgewicht nicht verliert. Der vorliegende Boden erlaubt ein leichtes Wandern, womit man auch schwierigere Touren meistern kann. Wer sich also den Untergrund sichert, kann Ziele erreichen, die sonst vielleicht nicht möglich wären. Folglich muss es von Interesse sein, die beiden Teile in sich in Einklang zu bringen. Dazu soll die nachfolgende Übung beitragen.

Übung

Wer sich mit Herzblut der Spiritualität verschrieben hat, tut sich manchmal etwas schwer mit dem biologischen Teil. Man möchte doch seinen Fortschritt erkennen können und folglich weniger Gier, Aggressionen und dergleichen empfinden. Dies ist völlig in Ordnung und darf auch als Ziel angestrebt werden, aber als Fernziel. Bis es soweit ist, muss lange geübt werden. Und dabei muss man aufpassen, dass man keine Persönlichkeitsanteile abspaltet. Diese werden sich nämlich im Untergrund ganz langsam zu Dämonen aufbauen und irgendwann in getarnter Form überaus heftig hervorbrechen. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als sehr ehrlich unseren „tierischen“ Anteilen in die Augen zu schauen und mit ihnen zu verhandeln. Sich alles nur zu verbieten wenn die Gier anklopft ist meistens nicht sinnvoll. Ein gemässigter Weg verspricht mehr Erfolg. Aggression braucht Ventile. Diese müssen gesucht und geschaffen werden. Jedes Problem verlangt nach einer individuellen Lösung. Die nachfolgende Übung soll dich sensibilisieren, stets ein Gleichgewicht zwischen dem biologischen und dem seelischen Teil zu schaffen.

Mach es dir bequem, sammle den Geist und nimm dir einen Moment Zeit. Betrachte dann das Bild und lass es auf dich wirken. Mach dir bewusst, wofür die beiden Farben stehen. Wahrscheinlich wird eines der beiden Muster hervorstechen. Arbeite nun so lange an dem Bild, bis du ein Gleichgewicht herstellen kannst und einen gleichmässigen Teppich vor dir siehst. Bleib dann eine Weile mit diesem Teppich sitzen und lass ihn auf dich wirken. Anschliessend bedanke dich bei deinen geistigen Helfern und schliesse die Meditation ab.

Das nächste Bild erscheint am 19.12.2020