Wie die Trauer der Wolken die Menschheit bedrohte

Eine Weihnachtsgeschichte von Susanna Sarasin

Es regnete schon seit Tagen ununterbrochen. Immer, wenn sich die Wolkendecke zu lockern schien, bildeten sich neue dicke Regenwolken, aus denen Wasser fiel. Seen und Flüsse schwollen an und drohten über die Ufer zu treten. Auf Feldern und Wiesen war der Boden so sumpfig, dass vieles zu faulen begann und nichts mehr wachsen mochte. Die Menschen wurden unruhig und ängstlich. War dies der Beginn des Weltuntergangs? Würde eine Sintflut die Menschheit bedrohen?

Auch im Himmel machte sich Sorge breit. Die Engel versuchten verzweifelt, den Regen zu stoppen, aber es gelang ihnen nicht. Auch Petrus musste hilflos zuschauen, wie die Wolken sich immerzu neu bildeten und entleerten.

Was war geschehen?

Seit Jahrtausenden befanden sich die Kräfte, die das Wetter bestimmten, soweit in einem Gleichgewicht, dass eine Katastrophe grösseren Ausmasses nicht möglich war. Doch nun waren die Wolken plötzlich entgleist. Beim Umherziehen über den Himmel hatten sie nämlich immer wieder beobachtet, wie es auf der Welt zu und her ging. Manchmal waren sie glücklich über das, was sie sahen, manchmal traurig. Doch in letzter Zeit wurden sie immer stiller und nachdenklicher. Was auf der Erde geschah, konnten sie nicht mehr verstehen: die Menschen gingen miteinander und mit ihrer Umwelt auf eine Art und Weise um, dass sich die Wolken immer wieder entsetzten. In Kriegen wurden Frauen, Kinder und alte Menschen abgeschlachtet. Wegen Egoismus und Gier wurden Luft und Böden vergiftet, womit die Lebensgrundlagen aller Lebewesen auf dem Planeten langsam zerstört wurden. Anstatt sich mit Liebe und Verständnis zu begegnen, herrschten bei den Erdenbewohnern Neid und Missgunst vor. Kurz: was die Wolken sahen, stimmte sie so traurig, dass sie einfach weinen mussten. So sehr sie sich bemühten, ihr inneres Gleichgewicht wieder zu finden, es gelang ihnen nicht. Selbst die tröstenden Worte der Engel und von Petrus konnten sie nicht beruhigen. Und damit bahnte sich langsam eine furchtbare Katastrophe an.

In seiner Not befahl Petrus dem Wind, die Wolken wegzublasen. Doch wie fest sich dieser auch bemühte: die innere Not der Wolken war zu gross, ständig formten sich neue weinende Gebilde. Zudem hatten die Menschen nun noch ein grösseres Elend zu erleiden, denn nun regnete es nicht nur, sondern Stürme heulten über die Länder und zerstörten Häuser, Wälder und vieles mehr.

Als Petrus dies sah, befahl er dem Wind sogleich, sich wieder zurückzuziehen. Nun bat er die Sonne, sich zwischen die Wolken zu quetschen und sie auszutrocknen. Die Sonne begann mit aller Kraft zu strahlen, womit viel Hitze erzeugt wurde. Doch bald schien die ganze Erde zu dampfen und die Menschen litten noch mehr, weil die Luft schwer und feucht wurde. Sie konnten das Phänomen beobachten, dass es trotz sonnigen Abschnitten weiter regnete. Somit war auch dies keine Lösung und Petrus runzelte besorgt die Stirn. Irgendetwas musste nun geschehen, sonst drohte dem blauen Planeten grosse Gefahr.

Während sich im Himmel alle Kräfte bemühten, die Wolken zu beruhigen, brach auf der Erde eine grosse Unruhe aus. Überall, wo es regnete, begannen sich Krisenstäbe zu bilden. Da sich die ganze Feuchtigkeit in diesen Gebieten befand, fiel in den Trockengebieten kein Niederschlag mehr, womit die Menschen dort ebenfalls von existentiellen Problemen bedroht waren. Zwar begriff niemand, was genau zu dieser Situation geführt hatte, aber im Volk begann sich grosser Unmut auszubreiten. Redete man nicht schon lange von Umweltbelastungen, ohne dass die Regierungen politisch aktiv wurden? Musste man wirklich tatenlos zusehen, wie Macht und Gier führender Persönlichkeiten die Lebensgrundlage der Erdenwesen bedrohten? Zornig fingen die Menschen an, sich gegen Regierung und Wirtschaftsführer aufzulehnen. Diese erkannten den Ernst der Situation und begannen um ihre Macht und ihr Eigentum zu fürchten. In ihrer Not sahen sie nur noch einen Weg: sie mussten sich der Bevölkerung und ihren Forderungen stellen. Und plötzlich begann eine seltsame Wandlung.

Schon lange hatten sich auf der Erde Kräfte entwickelt, die fähig waren, konstruktive Lösungen für das Wohlergehen allen Lebens zu bieten. Aber diese Kräfte hatten einfach nicht die Möglichkeit gehabt, sich durchzusetzen. Die fremden Denkansätze hatten nämlich den meisten Menschen Angst gemacht, so dass sie trotz der Misere immer wieder den alten Formen ihr Vertrauen geschenkt hatten. Erst jetzt erkannten sie, dass nur noch eine wirkliche Veränderung Rettung bringen konnte. Und so geschah es, dass plötzlich Personen um Rat gefragt wurden, die bis zu diesem Zeitpunkt als weltfremde Spinner gegolten hatten. In ihrer Verzweiflung hörten die Menschen ihnen zu und begannen über deren Worte nachzudenken.

Die innere Einstellung eines jeden Erdenbewohners, so hiess es, sei von Bedeutung. Jeder könne Verantwortung übernehmen, indem er sich immer und in jeder Hinsicht so verhalte, dass er nichts und niemanden schädige. Am besten könnte dies gelingen, indem man sich vorstellen würde, alle anderen Menschen seien Brüder und Schwestern. In einem solchen Klima der Eintracht könnten sich Lösungen durchsetzen, die schliesslich allen Wohlstand bringen würden.

Die meisten Menschen konnten das zwar nicht wirklich glauben, aber in ihrer Not waren sie bereit, selbst ungewöhnlichste Wege zu beschreiten. So begannen sie, einander argwöhnisch zu betrachten und sich vorzustellen, dass sie von Brüdern und Schwestern, Müttern und Vätern, Söhnen und Töchtern umgeben seien. Das mutete sie sehr komisch an. Der etwas bünzlige Nachbar sollte ihr Vater sein? Der Gemeindepräsident ihr Bruder? Der kiffende Jugendliche aus der Nachbarschaft ihr Sohn? Die Verkäuferin ihre Mutter? Soweit ging die Übung ja noch einigermassen gut. Aber die Vorstellungskraft der Menschen wurde auf eine harte Probe gestellt, wenn es um Afrikaner ging, die irgendwo in der Ferne Kaffee anbauten, oder um Chinesen, die unter schlimmsten Bedingungen Kleider herstellten, oder um indische Kinder, die in Steinbrüchen schufteten. Aber alle gaben sich Mühe, den neuen Weg zu beschreiten.

Und siehe da, es war wie ein Wunder: der Regen liess nach. Doch sobald sich das Wetter besserte, begannen die Menschen in ihre alten Gewohnheiten zu fallen. Begonnene Verhandlungen mit ausgebeuteten und unterdrückten Menschengruppen begannen zu stagnieren und alles drohte beim Alten zu bleiben. Sogleich öffneten sich die Schleusen des Himmels erneut. Das ging so lange, bis die Menschheit endlich einsah, dass es wohl tatsächlich der einzige Weg zur Rettung war, sich die Welt als Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern vorzustellen.

So kam es, dass die Wolken auf ihrem Weg über den Himmel plötzlich erkennen konnten, dass es auf der Welt auch positive Entwicklungen gab. Voller Hoffnung und Freude atmeten sie auf. Doch sobald sich die alten Gewohnheiten auf der Erde wieder breit zu machen begannen, überkam sie erneut grosses Elend und sie begannen zu weinen. Erst als die Menschen mehr und mehr zu begreifen begannen, dass sie nur als eine gerechte Gemeinschaft mit gegenseitigem Respekt überleben konnten, ja dass sich so ihr Wohlstand sogar noch vergrösserte, stellte sich im Himmel wieder ein Gleichgewicht zwischen allen Elementen her, die das Wetter bestimmten.

Und so begann sich eine Forderung durchzusetzen, die vor mehr als 2000 Jahren als Samen in die Menschheitsgeschichte gepflanzt worden war. Erst jetzt reiften die Früchte, die dem Wirken von Jesus entsprungen waren. Erst jetzt wurde die Botschaft verstanden, welche durch die Weihnachtsgeschichte über all die Jahrhunderte wach gehalten worden war. Es gab nur einen Weg zum Glück: denjenigen der Liebe.

Endlich schaffte ich es: alle meine alten Weihnachtsgeschichten wurden hervorgeholt. Die ältesten
waren noch mit der Schreibmaschine getippt. Sie stehen dir nun in überarbeiteter Form zur
Verfügung. Du kannst sie am Bildschirm lesen, herunterladen oder bei mir gegen den
Selbstkostenpreis von Fr. 15.- pro Exemplar (Ringheft) plus Porto in gebundener Form beziehen.